Ultralight hiking – weniger ist mehr

Unter Langstreckenwanderern ist es ein allzu üblicher Wettbewerb: Respekt und Ansehen genießt ein jener, der das meiste Gewicht tragen kann. Das Schleppen eines schweren Rucksacks verschafft dem Wanderer „Ansehen“ unter Gleichgesinnten – es beweist, dass der Wanderer zäh, stark und widerstandsfähig ist. Wenngleich ein freundschaftlicher Wettbewerb Freude bereiten und anspornen kann, könnte der Gewinner in diesem Fall tatsächlich der Verlierer sein: Ein zu großes Gewicht zu tragen vermag einen Wanderer erheblich zu behindern und seine Freude an der Wanderung zu schmälern. Wenn (doch) ein Wettbewerb stattfindet, dann sollte es darum gehen, wer mit dem leichtesten Rucksack wandern kann, nicht mit dem schwersten! Seit einigen Jahren ist diese Art von Wettbewerb in vielen Ländern der Welt zu beobachten, und auch in Deutschland sind die Themen Lightweight– oder Ultralight-Wandern seit einiger Zeit im Kommen.
Im Folgenden wollen wir dir einige allgemeine Prinzipien vorstellen, die wir persönlich anwenden, um das Gewicht unserer Rucksäcke so leicht wie möglich zu halten.

Wanderer mit kleinen und leichten Rucksäcken auf dem Harzer-Hexen-Stieg
Wanderer mit kleinen und leichten Rucksäcken auf dem Harzer-Hexen-Stieg
  1. Nimm nur das mit, was du brauchst
    Der leichteste Gegenstand in deinem Rucksack ist der, den du zu Hause lässt. Das klingt zwar etwas banal, jedoch wird man sowieso nicht alles abdecken können, was eventuell mal auf einer Langstreckenwanderung benötigt wird. Eine bewährte Herangehensweise die Menge an zusätzlicher Ausrüstung in deinem Rucksack zu minimieren ist, jeden Gegenstand, der in den Rucksack wandern soll, während deiner Vorbereitungen genau unter die Lupe zu nehmen. Hier ist es beispielsweise hilfreich, nach einer Wanderung zu überprüfen, welche Gegenstände du tatsächlich benutzt hast und welche du auf der letzten Reise umsonst mit dir herumgetragen hast. Den besten Überblick erhält man definitiv mit einer Packliste. Hier kann ergänzt, optimiert und vor allem gestrichen werden. Wir nutzen hier meist elektronische Packlisten wie LighterPack oder GearGrams. Denn eines solltest du definitiv immer dabei haben: den Überblick!
  1. Minimiere die Anzahl an „Luxury-items“.
    Stell dir Folgendes vor: Am Ende eines langen Wandertages hängst du deine Hängematte zwischen zwei Bäumen auf, installierst eine Laterne und schlägst einen historischen Roman auf, um ein paar Stunden der Ruhe und Einsamkeit zu genießen, bevor du sanft in den Schlaf geschaukelt wird. So schön das auch klingt – von zwanzig Wanderern gelingt es vermutlich nur einem einzigen, einen langen Wandertag genau so zu beenden. Die anderen neunzehn legen sich erschöpft in ihren Schlafsack und schlafen fast augenblicklich ein. Für diese Wanderer wären die Hängematte, der Historische Roman und die Laterne zusätzliches Gewicht, das am Ende des Tages nicht einmal zur Entspannung beiträgt, sondern im Gegenteil die Wanderung tagsüber erschwert. 
    Ich persönlich gehe wandern, um den Weg zu genießen – mehr als die Zeit am Abend (aber das ist meine individuelle Präferenz), was jedoch bedeutet, dass ich fast keine zusätzlichen “Luxusartikel” für die Nacht mitnehme. Wir alle gleichen anstrengende Wanderzeit und Entspannungszeit unterschiedlich aus, daher ist es unmöglich, ein einheitliches Rezept für jeden Weitwanderer zu formulieren. Aber wenn du abwägst, welche Dinge du tatsächlich benutzen wirst und die überflüssigen weglässt, kannst du dem Erholungswert deiner Wanderung erheblich steigern.
Wanderer beim Schlafen in einer Schutzhütte.
„Lightweight-Zelte“ auf dem Westweg
  1. Nutze möglichst leichte Ausrüstung
    Die „großen Drei“, die „thruhiker“ mit sich führen, sind in der Regel ein Zelt, ein Schlafsack und ein Rucksack. Das Gewicht dieser Gegenstände ist enorm variabel – jeder kann weniger als 400 g oder mehr als 3 kg wiegen. Die Gewichtsschwankungen bei anderen Ausrüstungsgegenständen sind in der Regel weniger ausgeprägt, summieren sich aber ebenfalls schnell. Eine gute Faustregel bei der Auswahl der Ausrüstung ist es, die leichteste Ausrüstung zu kaufen, die du dir leisten kannst bzw. die du rechtfertigen kannst und möchtest. Dein Rücken wird es dir in jedem Fall danken!
    Eventuell gehörst du zu der Gruppe von Wanderern, die jede Nacht in Hotels/Herbergen/Hütten übernachten, dann sind ein Zelt und ein Schlafsack vielleicht gar nicht nötig. Wenn das auf dich zutrifft, versuche aber unbedingt der Versuchung zu widerstehen, den gewonnen Platz im Rucksack durch alternative Gegenstände zu ersetzen. Hier ist dann sogar eher ein kleinerer Rucksack ratsam, der wiederum einige Gramm zusätzlich einspart. Genieße einfach die Freiheit, die du durch einen leichteren Rucksack gewinnst!
Unterschiedliche Plastikfalschen stehen am Rande eines Wanderweges.
Einwegwasserflaschen können problemlos mehrfach und für unterschiedliche Zwecke genutzt werden.
  1. Wiederverwendete „Einweg“-Ausrüstung ist oft die beste Option zum Wandern.
    Ausrüstungsgegenstände, die für den einmaligen Gebrauch hergestellt wurden, wie z.B. Plastikwasserflaschen, Regenponchos und Müllsäcke, können der beste Freund des Weitwanderers sein. Diese Gegenstände sind in der Regel extrem leicht, erschwinglich und können im Laufe mehrerer Wanderungen immer wieder verwendet werden. Was dieser Art von Gegenständen an Haltbarkeit fehlt, machen sie durch Gewichtsersparnis mehr als wett.
Wanderin präsentiert vor Supermarkt ihre Einkäufe für den nächsten Streckenabschnitt.
Der Einkauf für den nächsten Westweg-Streckenabschnitt ist geschafft.
  1. Nimm nichts mit, was du auch unterwegs besorgen kannst.
    Bei meiner ersten Langstreckenwanderung auf dem John Muir Trail in den USA mit Wanderfreund-Mitbegründerin Renee hatte jeder von uns 17 Tage Proviant im Rucksack. Als andere Wanderer uns fragten, welche Versorgungspunkte wir eingeplant hatten, lernten wir schnell, dass es total unnötig war, alles mitzunehmen, was wir von Anfang bis Ende brauchen würden. Unsere Rücken litten unter dem Gewicht und wir verpassten die Gelegenheit, die kleinen Städte entlang des Weges zu erleben. Diesen Fehler haben wir seitdem nicht mehr gemacht. Gerade bei Fernwanderungen in Deutschland gibt es immer wieder nette kleine Dörfer direkt am Wegesrand oder in der Nähe, die Essen, Trinken, Verpflegungsmöglichkeiten und vieles mehr für Wanderer anbieten. Wirf vor deinem Lebensmitteleinkauf auf jeden Fall einen Blick auf eine Karte, in der Städte und Lebensmittelläden eingezeichnet sind, und plane die Ortschaften ein, an denen du dich versorgen willst. Wichtig ist hier auch, dann nur so viel mitzunehmen, wie du von einem Versorgungspunkt zum nächsten benötigst.
Dreckige Beine und Füße von Wanderern
Dreckige Beine und Füße nach mehreren Tagen auf Wanderschaft.
  1. Schmutzig ist das neue sauber
    Das Weitwandern in der Natur kann dreckig, schweißtreibend und ermüdend sein. Abhängig von deiner Route und den eingeplanten Unterkünften ist das tägliche Duschen vielleicht nicht möglich. Wichtig ist hier zu lernen, dies in Kauf zu nehmen. Rehe, Eichhörnchen, Hasen und Füchse werden sich nicht beschweren, wenn du nicht voll parfümiert durch den Wald stiefelst. Andere Wanderer werden vielleicht sogar beeindruckt sein, wie sehr du einsgeworden bist mit dem Lebensstiel in der Natur. Und das Beste ist, dass dir auch hier dein Rücken einen netten Gruß zurückschickt, wenn du deinen Korb voller schwerer Badezimmerartikel zuhause lässt.

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